Sitten und Gebräuche haben sich im Laufe der Jahrhunderte für viele Bereiche unseres Lebens erheblich verändert. Die ländlichen Bräuche in Südtirol sind einigen in Deutschland sehr ähnlich. Der deutsche Ratsschreiber Josef Werner hat die eigentümlichen Hochzeitsbräuche des letzten Jahrhunderts anhand eines beispielhaften Tales in Deutschland festgehalten* und es sind durchaus Parallelen festzustellen.
Das Hochzeitsbrauchtum hat sich über viele Jahrhunderte entwickelt. In früheren Zeiten war die Erreichbarkeit der Dörfer untereinander gerade in ländlichen bzw. Berggemeinden schwerlich gegeben. In den Bergen verliefen die Verbindungen weitläufig durch Wälder und Schluchten. Wer sich von einem Ort zum anderen aufmachte, war nicht selten einen ganzen Tag unterwegs. Das erklärt auch die teilweisen Unterschiede von Brauchtum – nicht nur bei der Hochzeit – zwischen den einzelnen Gemeinden. So haben sich in Südtirol ebenfalls unterschiedliche Hochzeitsbräuche entwickelt und in den verschiedenen Landesteilen bis heute erhalten. Manche hingegen sind im gesamten Land gleich geblieben oder wurden in leicht abgewandelter Form bis heute beibehalten.
Einladungen überbringen
Nach Ratsschreiber Werner war es bis Mitte der 1950er Jahre üblich, dass das Hochzeitspaar oder auch zwei beauftragte „Hochzeitslader“ bereits Wochen vor der Hochzeit Freunde, Verwandte oder Bekannte aufsuchten und diesen die Einladung überbrachten. Das Brautpaar ist hierzulande bis heute persönlich unterwegs, um die Einladungen zu überbringen. Durch die langen Wegstrecken war diese „Hochzeitsladerei“ früher äußerst anstrengend, daher wurden das Paar oder die Hochzeitslader fast in jedem Haus zu einem Getränk oder einer Marende gebeten. Meist wurden so an einem Abend nur wenige Einladungen überbracht und es dauerte eine ganze Weile, bis alle Gäste besucht werden konnten.
Der Abschied vom Junggesellendasein
Ähnlich dem vom Ratsschreiber Werner überlieferten deutschen „Tschäpplhirschen“ oder Polterabend werden Braut und Bräutigam in einigen Tälern heute noch kurz vor der Hochzeit vom engsten Freundeskreis gesondert besucht. Entweder wird dann im Haus gefeiert, oder die Brautleute werden nur abgeholt und es wird der Abschied vom Junggesellenleben „zelebriert“. Das hat auch in Südtirol Tradition. Leider haben insbesondere die Feiern des Bräutigams mittlerweile einen unguten Ruf – allzu oft geht es einzig darum, den Bräutigam mit Alkohol abzufüllen, allerhand Dummes mit ihm anzustellen und das zu dokumentieren. So manche Wirtshauseinrichtung nimmt immer wieder daran Schaden und es gibt viele Lokale, die solche Abschiedsgesellschaften gar nicht mehr bewirten.
Die Feier der Braut ist hingegen darauf ausgelegt, Geld für die Hochzeit zu sammeln. Meist organisieren die Freundinnen Kleinigkeiten, die die Braut dann in passender Kostümierung im Lauf des Abends zu einem Obolus zu verkaufen hat. Auch wer mit der zukünftigen Braut tanzen möchte, muss dafür einen kleinen Geldbetrag entrichten. Dazu wird in möglichst vielen gut besuchten Lokalen eingekehrt. Die besten Freundinnen sind der Braut stets behilflich.
Braut aufwecken
In unseren ländlichen Gemeinden findet man allerorts heute noch den Brauch des Brautweckens. Üblicherweise verbringt die Braut ihre letzte Nacht vor der Ehe im Haus ihrer Eltern. Traditionell wird sie dann am Morgen der Hochzeit von Freunden mit viel Lärm, Geschrei und Böllerschüssen geweckt. Je mehr Vereinen die Braut in ihrem Dorf angehört, desto größer ist die Weckgesellschaft. Der veranstaltete Lärm soll den neuen Lebensabschnitt symbolisieren und böse Geister vertreiben.
Eine alte Sitte ist auch das „Böllerschießen“ vor der Hochzeit. Freunde, Vereins- oder Jahrgangskollegen oder Nachbarn haben daran auch heute noch ihre Freude, denn nach dem Schießen ist ein ausgiebiges Frühstück für alle zubereitet. In manchen Orten des Landes wird die Braut im Verlauf der letzten Woche vor der Hochzeit von Freunden und Bekannten aus der Kinder- und Jugendzeit, von Schulkameraden und Jahrgangskollegen in ihrem Elternhaus besucht. Erst nach dieser Verabschiedung, bei der die Brauteltern die Besucher ordentlich zu bewirten haben, wird sie schließlich dem Dorf des Bräutigams „überlassen“.
Quelle: Wein- und Heimatmuseum in Durbach, Aufzeichnungen des Ratsschreibers Josef Werner
Photo Infraordinario Wedding