
Szenen einer Eheschließung 3
Peter versuchte, die kleine Bergstraße zwischen all den Schneeflocken und dem Nebel zu erkennen. Seit Jahren hatte es nicht mehr so viel wie an diesem Wochenende im November geschneit. Ganz Südtirol versank im Schnee, berichteten die Nachrichten. So auch der Ritten, dachte Peter, und lenkte seinen Fiat Cinquecento in Richtung der kleinen Kirche in Lichtenstern.
Fünfhundert Meter vor der Kirche schaffte sein Auto es nicht mehr; der Schnee war zu hoch, die Reifen drehten erst durch und fraßen sich dann im Boden fest. Er versuchte noch drei Mal, seinen Kleinwagen aus der misslichen Lage zu befreien, doch da war nichts mehr zu machen: Peter musste zu Fuß weiter.
Peter rannte, schlitterte, flog der Länge nach hin, stand wieder auf und rannte weiter. Er würde zu spät kommen. Das einzige Mädchen, dass er wirklich wollte, würde inzwischen einem anderen das Ja-Wort gegeben haben. Dieser verflixte Schnee – und er hatte nicht einmal daran gedacht, sich ein feste paar Winterstiefel anzuziehen.
Zehn Minuten später erreichte Peter die verschlossene Kirche. Er ging um sie herum und sah durch die Glaswand: dort stand seine Liebste mit ihrem frisch angetrauten Ehemann und ließ sich innig küssen. Wie unzufrieden, ja unglücklich sie in seinen Augen aussah! Peter trommelte an die Glaswand, die Familien der beiden Frischvermählten starrten ihn an. Ihre Worte konnte er nicht verstehen, doch er spürte ihren Hohn und ihre Beleidigungen ärger als den eiskalten Schnee. Die Braut schrie plötzlich seinen Namen und strahlte. Ihr Lachen übertönte all die bösen Worte.
Plötzlich öffnete sich die Kirchenpforte und der Brautvater trat heraus in den Schnee. Peter erkannte die Weißglut in seinen Augen. Noch bevor der Mann ihm an die Gurgel gehen konnte, hatte Peter sich in die Kirche gedrängt und nach der Hand seiner Liebsten gegriffen. Peter riss einem der älteren Männer, die dem Brautvater zu Hilfe gekommen waren, den Stock aus der Hand, zog die Braut aus der Kirche und blockierte mit dem Spazierstock die beiden Türen.
Peter und die Braut rannten lachend durch den Schnee bis zu seinem Auto. Er ließ sie einsteigen, ihr weißes Brautkleid war schmutzig und durchnässt, sie fror und konnte einfach nicht aufhören, vor lauter Glück und Liebe zu lachen.
In der zweiten „Szenen einer Eheschließung“-Geschichte wurde Simone Dark von „Mamma Mia!“ inspiriert. Welche Filmszene hat sie in dieser kleinen Geschichte inspiriert? Die Lösung erfahrt Ihr in zwei Wochen!
Simone Dark, Jahrgang 1982, geboren in Freiburg (Deutschland), wuchs in einem Städtchen namens Breisach an der französischen Grenze auf. Sie ist Übersetzerin und (Thriller-)Autorin aus Leidenschaft. Bisher erschienen sechs Romane unter ihrem Namen. Wenn sie gerade einmal nicht Geschichten erfindet, kann sie auch sehr sportlich sein: sie wandert und schwimmt für ihr Leben gerne. Simone lebt seit einigen Jahren mit ihrem Mann in Südtirol.
