
Andere Länder, andere Sitten
So heiratet man in Japan
Japan ist ein Land der Gegensätze, ein Land der Widersprüche. Es ist das Land von Sony und den Samurai, von technischem Fortschritt und strengem Traditionsbewusstsein. Für meine Japanreise vor drei Wochen habe ich viel über die Geschichte und die Kultur des Landes der aufgehenden Sonne gelesen. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Für euch habe ich recherchiert, wie die jungen – und durchaus traditionsbewussten – Japanerinnen und Japaner vor den Traualtar treten.
Generell lassen sich in Japan vier verschiedene Hochzeitsarten unterscheiden. Am Anfang heißt es aber auch für japanische Paare erst einmal: Datum finden.
Gewählt wird dieses in der Regel auf Basis des rokuyō – dem japanischen Kalender, der angeblich das Glück der einzelnen Tage voraussagen kann. Einziger Haken an der Sache: Da alle Paare nach diesem Prinzip den Tag auswählen, kann es für besonders günstige Tage mit einem guten Omen (jap.: taian) schon mal zu Engpässen bei Restaurants oder Locations kommen. Doch wer will schon unter einem schlechten Stern heiraten?
Neben Datum, Location und der Liste der Hochzeitsgäste stellt sich für japanische Paare aber auch die Frage nach dem Stil.
Gemeint ist damit keine Motto-Hochzeit, sondern der Ritus, nach dem gefeiert wird. Immer öfters setzt sich in Japan der westlich-christliche Stil durch und so verwundert es nicht, dass auch in großen Bahnhöfen für Hochzeitslocations mit westlichen Hochzeitspaaren geworben wird. Aber nun der Reihe nach:

Der Shinzen-Stil (神前式/ Shintō-Stil)
Der Shintō-Glaube („Weg der Götter“) ist in Japan weit verbreitet und auch bei Hochzeitspaaren als Ritus beliebt. Dieser Glaube geht davon aus, dass Gott in jedem und allem wohnt. Im Ritus werden verschiedenen Rituale und Traditionen vermischt. Eine Hochzeit im Shintō-Stil läuft in der Regel folgendermaßen ab: Im Shintō-Schrein wird das Paar, gekleidet in traditionellen Kimonos, durch den Priester gereinigt. Die Feier findet im engsten Familienkreis statt und schließt Gebete an die Götter mit ein. Anschließend schreitet das junge Paar, gemeinsam mit der Familie und dem Priester durch die Schreinanlage, wo auch die Fotos gemacht werden.

Der christliche Stil
Viele junge Japanerinnen wollen heute am liebsten in einem weißen Kleid heiraten, so wie sie es aus amerikanischen Filmen und Büchern kennen. Da es mehr um den Stil als den religiösen Unterbau geht, kann man in Japan in diesem Stil heiraten, auch wenn man nicht getauft oder praktizierender Christ ist. Häufig sind auch die Priester keine wirklichen Priester und Kirchen und Kapellen dienen als schönes schmuckes Beiwerk. Dabei arbeitet die Hochzeitsindustrie eng zusammen. Hotels und Hochzeitsplaner stellen für die anspruchsvollen jungen Bräute eine Traumhochzeit nach amerikanischem Vorbild auf die Beine. Ziemlich viel „Show“ für einen so persönlichen Tag, finde ich.

Der Butsuzen-Stil (仏前式/ Buddhistischer Stil)
Heiraten im Buddhistischen Tempel, das ist immerhin die dritthäufigste Art zu heiraten. Dabei gibt es viele Gemeinsamkeiten mit einer Hochzeit im westlich-christlichen Stil. Die Braut trägt ein weißes Kleid oder einen traditionellen Kimono, es wird gebetet und gesungen und am Ende stecken sich Braut und Bräutigam als Zeichen ihrer Verbundenheit die Ringe an. Nicht nur die Familie kann im Tempel mit dabei sein, sondern auch Freunde und weitere Verwandte.

Der Jinzen-Stil (人前/ Nichtreligiöse Hochzeitszeremonie)
Was in Europa die standesamtliche Trauung, ist in Japan jinzen. Einziger Unterschied: Diese Form der Trauung hat keine rechtliche Grundlage und ist daher auch nicht binden. Regeln gibt es daher keine. Das Paar entscheidet selbst, wie die Zeremonie abläuft. Vor Freunden und Verwandten bekennt das Paar offiziell seine Liebe und seine Absicht, in Zukunft gemeinsam den Lebensweg zu beschreiten. Dann wird gegessen und gefeiert. Um dem ganzen einen passenden Rahmen zu geben, trägt die Braut häufig ein weißes Kleid und der Bräutigam Frack oder Anzug. Und, Sie haben es wohl schon erraten: Gefeiert wird dann, ganz nach westlichem Vorbild, in einem Hotel oder einer besonderen Location.
Elisabeth Stampfer mag Kunst, Geschichte und Geschichten und noch lieber sie erzählen. Wenn sie nicht gerade auf der Suche nach neuen Stories ist, kocht sie gerne oder lädt in der Natur ihre Batterien auf.
